Berlin. In Hessen steuert Nancy Faeser auf eine Wahlschlappe zu, in Berlin lastet die Causa Schönbohm auf ihr. Der Kanzler hat ein Problem mehr.

Kanzler Olaf Scholz ist jemand, der sich gemeinhin für klüger hält als den Rest des politischen Betriebs. Als sich zu Jahresbeginn die Frage stellte, ob Bundesinnenministerin Nancy Faeser SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl wird oder ihr Berliner Regierungsamt behält, entschied der Bundeskanzler kurzerhand, dass beides möglich sein soll.

Nach Lage der Dinge wird Faeser nur dann nach Wiesbaden wechseln, falls sie die Wahl am 8. Oktober gewinnt – was derzeit äußerst unwahrscheinlich erscheint. Vermutlich bleibt sie einfach Bundesministerin.

Thorsten Knuf, Politik-Korrespondent
Thorsten Knuf, Politik-Korrespondent © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Ob Scholz hier die richtige Entscheidung getroffen hat, wird sich erst noch zeigen müssen. Verliert Faeser die Wahl in Hessen krachend, dürfte dies nicht ohne Auswirkung auf ihre Machtstellung im Berliner Kabinett bleiben. Zudem steht die Ministerin in der Causa um den ehemaligen Cyberabwehr-Chef Arne Schönbohm unter Druck.

Sollte sich herausstellen, dass dessen Ablösung vor einem Jahr unbegründet war und die Ministerin dabei mit unzulässigen Methoden arbeitete, hätte Faeser ein beträchtliches Glaubwürdigkeitsproblem.

Faeser: Freifahrtschein nach Wiesbaden und zurück

Der Kanzler tut sich ohnehin schon schwer damit, seine Ampelkoalition zusammenzuhalten. Was er jetzt bestimmt nicht gebrauchen kann, ist ein weiteres Kabinettsmitglied, das sich im Stile der ehemaligen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht selbst demontiert.

Folgende Prognose sei gewagt: Der Herbst kann noch ziemlich ungemütlich werden für den Regierungschef und seine Innenministerin. Scholz wird sich dann die Frage gefallen lassen müssen, ob es wirklich so klug war, der Parteifreundin im Frühjahr einen Freifahrtschein nach Wiesbaden samt Rückfahrkarte nach Berlin zu geben.