Berlin. Vollbremsung vom Verfassungsgericht: Im Ampel-Haushalt fehlen plötzlich Milliarden – mit möglichen Folgen für Millionen Verbraucher.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer überraschenden Entscheidung den Nachtragshaushalt der Ampel-Koalition für das Jahr 2021 für ungültig erklärt – und die Bundesregierung steht damit vor einem 60-Milliarden-Finanzproblem. Was hinter der Entscheidung steht und was sie für Politik und Verbraucher bedeutet – ein Überblick.

Worum geht es?

Die vorherige Bundesregierung hatte 2021 wegen der Coronakrise die Schuldenbremse ausgesetzt, was in einer Notlage möglich ist. Im Haushalt standen 240 Milliarden Euro Kreditermächtigungen zur Verfügung. Als Ende des Jahres klar war, dass das Geld nicht vollständig für die Bekämpfung der Corona-Folgen gebraucht würde, entschied die neue Ampel-Koalition, 60 Milliarden Euro per Nachtragshaushalt in den KTF zu verschieben.

Der Klima- und Transformationsfonds (KTF, früher: Energie- und Klimafonds) ist ein Sondervermögen, das sich vor allem aus den Einnahmen der europäischen und der nationalen CO2-Bepreisung speist, und aus dem die Bundesregierung zahlreiche Projekte bezahlt. Der Schwerpunkt der Ausgaben liegt auf Vorhaben zum Klimaschutz, aber unter dem Übergriff „Transformation“ sollten zuletzt auch Projekte wie Intels Aufbau einer Halbleiter-Produktion in Magdeburg gefördert werden.

Geld für Klima statt Corona: Karlsruhe entscheidet über Etatänderung

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    Gegen diesen Transfer klagte die Unionsfraktion, und bekam Recht. Die Verschiebung war laut Gericht nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, das Geld muss raus aus dem Fonds: „Die Entscheidung hat zur Folge, dass sich der Umfang des KTF um 60 Milliarden Euro reduziert“, heißt es in der Mitteilung des Gerichts.

    Warum hat Karlsruhe so entschieden?

    Unter anderem, weil die Koalition aus Sicht des Gerichts nicht ausreichend gut begründet hat, warum mehr Geld für Klimaschutz helfen soll gegen die Notsituation, welche die Grundlage für die Aussetzung der Schuldenbremse war. Die Ampel-Regierung hatte argumentiert, dass die Verlagerung der Milliarden rechtmäßig sei, weil damit ausgebliebene Investitionen aus der Corona-Zeit nachgeholt würden. Verlässliche staatliche Finanzierung und Förderung, vor allem auf für die Zukunft wichtigen Feldern wie Klimaschutz, seien wesentliche Voraussetzungen für die Überwindung der Krise.

    Dem wollte das Gericht nicht folgen: „Diese Begründung erweist sich als nicht ausreichend tragfähig“, heißt es trocken in der Mitteilung des Gerichts. Außerdem können laut Bundesverfassungsgericht Kreditermächtigungen, die in einem Haushaltsjahr mit ausgesetzter Schuldenbremse aufgenommen wurden, nicht einfach übertragen werden auf weitere Jahre. Denn die tatsächlichen Ausgaben und die Verschuldung daraus entstünden in den darauffolgenden Jahren – und würden dann voraussichtlich den Rahmen der Schuldenbremse überschreiten.

    Was bedeutet das Urteil?

    Dass die Ampel-Koalition ein gigantisches Loch in ihrem Haushalt hat – und das einen Tag, bevor die Haushälterinnen und Haushälter des Bundestags am Donnerstag in der Bereinigungssitzung festlegen wollen, wofür 2024 Geld ausgegeben wird und wie viel. Katja Mast, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, sagte am Mittwoch, die Koalition sei „auf dieses Szenario vorbereitet“ gewesen. Für die Klimaziele der Bundesregierung werde das Urteil „keine Konsequenzen“ haben.

    Bringt das Urteil die Ampel zu Fall?

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) sind von dem Urteil aus Karlsruhe kalt erwischt worden. Es ist schon das zweite Mal, dass die Verfassungsrichter der Koalition ihre Arbeit vor die Füße knallen: Im Sommer hatte das höchste Gericht die Verabschiedung des Heizungsgesetzes zunächst gestoppt. Den Richtern missfiel das Eiltempo, mit dem die Ampel das Gesetz durch die Parlamentsberatung bringen wollte. Auch dieses Urteil war auf eine Klage der Union zurückgegangen.

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    Für Scholz und seine Mitstreiter ist die erneute Zurechtweisung aus Karlsruhe jedoch kein Grund, die Koalition infrage zu stellen, wie ein gemeinsamer Auftritt im Kanzleramt kurz nach der Urteilsverkündung aus Karlsruhe deutlich macht. Die für Donnerstag angesetzte Schlussberatung des Bundeshaushalts für 2024 durch den Haushaltsausschuss des Bundestags soll wie geplant stattfinden, kündigte Scholz gemeinsam mit Habeck und Lindner an. Von Konsequenzen für den Fortbestand der Koalition keine Rede. Im Gegenteil: Scholz gibt sich betont gelassen, auch bei einer anschließenden Befragung des Kanzlers im Bundestag.

    Allerdings: Die drei führenden Köpfe der Koalition sehen potenziell folgenschwere Folgen des Richterspruchs. Scholz sagte, dass Urteil könne „Auswirkungen auf die Haushaltspraxis nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern“ haben. Finanzminister Lindner sagte zudem, als erste Konsequenz des Urteils habe er „eine Sperre“ des Wirtschaftsplans des Klima- und Transformationsfonds verhängt – schließlich stehen 60 Milliarden Euro nicht mehr zur Verfügung.

    Was bedeutet das für Verbraucher?

    Konkret lässt sich das kurz nach der Verkündung des Urteils noch nicht absehen. Aber klar ist, dass aus dem KTF Programme finanziert werden, von denen Verbraucherinnen und Verbraucher direkt profitieren können – zum Beispiel die Förderung für den Heizungstausch oder die energetische Sanierung von Gebäuden. In einer Sondersitzung der SPD-Fraktion sagte Scholz nach Informationen dieser Redaktion zu, dass sich Verbraucher keine Sorgen machen müssen, wenn sie schon einen Förderbescheid erhalten haben.

    Gefördert wurde aus dem KTF Fonds auch die energetische Sanierung von Gebäuden.
    Gefördert wurde aus dem KTF Fonds auch die energetische Sanierung von Gebäuden. © Funke Foto Services | Markus Weißenfels

    Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien im Gebäudebereich sind laut Finanzminister Lindner ausgenommen von der jetzt verhängten Sperre für den KTF. Aus Fraktionskreisen heiß es, das schließe die staatliche Unterstützung für den Heizungstausch ein. Wirtschaftsminister Habeck sagte, alle zugesagten Verpflichtungen könnten eingehalten werden – neue aber erst eingegangen werden, wenn der neue Wirtschaftsplan für den Fonds aufgestellt wird.