Berlin. Die FDP blockiert die Befassung im Bundestag, Grüne werfen den Liberalen Wortbruch vor. Wackelt der Zeitplan für das Heizungsgesetz?

Britta Haßelmann gibt sich keine Mühe, ihren Ärger über die Koalitionspartner zu verbergen: Die FDP sei ihr in der Vergangenheit immer bekannt gewesen als „ehrlicher Kaufmann“, sagt die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion am Dienstag im Bundestag. „Das gilt jetzt offenbar für Christian Lindner nicht mehr.“ Und was die Fraktion der Liberalen da betreibe, das mute an wie „Arbeitsverweigerung“.

Anlass für die scharfe Kritik ist die jüngste Wendung im seit Monaten andauernden Streit der Ampel-Koalition um die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, auch bekannt als Heizungsgesetz. Das, so hatten es die Spitzen von SPD, Grünen und FDP vereinbart, sollte eigentlich in dieser Woche zur ersten Lesung in den Bundestag eingebracht werden.

Doch dazu kommt es jetzt nicht – die FDP verweigerte bei der Aufsetzung der Tagesordnung für diese Sitzungswoche ihre Zustimmung. Die Partei sieht noch größeren Änderungsbedarf bei dem vorliegenden Referentenentwurf.

Im Kabinett hatten Christian Lindner und seine Leute zwar zugestimmt, allerdings nicht ohne eine Protokollnotiz, in der „weitere notwendige Änderungen“ angemahnt wurden. Die sollten eigentlich im parlamentarischen Verfahren stattfinden, doch nun will die Partei offenbar noch einmal einen Schritt zurück.

Den Liberalen geht es vor allem um den Erhalt des Gasnetzes

Den Liberalen geht es unter anderem um das Gasnetz. Eine halbe Million Kilometer Gasleitungen lägen in Deutschland, erklärte FDP-Fraktionschef Dürr, mit einem Wert von 270 Milliarden Euro. „Das darf man nicht einfach so wegwerfen“, sondern müsse es klimaneutral umgestalten. Aus seiner Sicht setzt der Entwurf in seiner jetzigen Fassung einseitig auf die Wärmepumpe als Form des klimaneutralen Heizens. Gleichzeitig betonte Dürr, dass es eine Reform an sich dringend brauche.

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne), dessen Haus gemeinsam mit dem Bauministerium von Klara Geywitz (SPD) das umstrittene Gesetz erarbeitet hat, reagierte mit harten Worten auf die Verschiebung. „Ich nehme zur Kenntnis, dass die FDP sich nicht an das gegebene Wort hält“, sagte er.

Aus Sicht des Vize-Kanzlers stehen damit die Ergebnisse des 30-stündigen-Marathon-Koalitionsausschusses im März insgesamt in Frage. Damals hatten sich die Koalitionspartner nach zähen Diskussionen nicht nur auf das Heizungsgesetz verständigt, sondern auch auf ein Gesetz zur Planungsbeschleunigung im Verkehr, eine Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes und weitere Vorhaben. „Das Gebäudeenergiegesetz ist dort ein wesentlicher Bestandteil und auch die zeitnahe Verabschiedung und die gegebene Vereinbarung ist heute nicht gehalten worden“, sagte der Wirtschaftsminister.

Haßelmann machte deutlich, was das konkret bedeuten soll: Sie bedaure es, „dass jetzt auch das aus unserer Sicht wichtige Planungsbeschleunigungsgesetz für den gesamten Verkehrsbereich nicht auf den Weg gebracht werden kann“. Kein Heizungsgesetz, so kann man das verstehen, also auch keine Planungsbeschleunigung. Die war vor allem der FDP wichtig gewesen.

WWF und Greenpeace sehen Rückschlag für den Klimaschutz

Nichtregierungsorganisationen werten die Verschiebung der Befassung als einen Rückschlag für den Klimaschutz, aber auch für die Koalition an sich. Das Gebäudeenergiegesetz schaffe die wirksamen Voraussetzungen für Klimaschutz, sagte Viviane Raddatz, Klimaschutz-Expertin des WWF Deutschland, dieser Redaktion. „Das Gesetz muss es dafür aber auch in den Bundestag schaffen.“ Dies sollte insbesondere für diejenigen Fraktionen ein Interesse sein, die im parlamentarischen Prozess Änderungen angekündigt haben. „Eine weitere unnötige Verzögerung dieses wichtigen Meilensteins hilft dem Klimaschutz nicht“, sagte sie – und auch nicht der Wahrnehmung der Verlässlichkeit der Bundesregierung und den Menschen im Land, die Klarheit zu ihren Möglichkeiten und zukünftig verlässlicher Energie wollten.

Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland sieht Bundeskanzler Olaf Scholz jetzt in der Verantwortung. „Während die Klimakrise mit immer drastischeren Wetterextremen wie gerade in Italien Menschenleben fordert, lässt sich der Kanzler beim Heizungsgesetz von der FDP aus parteipolitischen Motiven auf der Nase herumtanzen“, kritisierte Kaiser. Die Wärmewende müsse jetzt in den Bundestag und dort noch vor der Sommerpause verabschiedet werden, um Anfang 2024 in Kraft treten zu können. Die Ampel habe sich bereits dreimal zum Gebäudeenergiegesetz geeinigt, sagte er dieser Redaktion. „Wird dieser Zeitplan gerissen, muss sich Olaf Scholz fragen lassen, wer eigentlich seine Regierung führt.”

Die SPD-Fraktion war am Dienstag darum bemüht, die Wogen zu glätten. „Wir wollen am Zeitplan festhalten, das Gesetz vor der Sommerpause zu beschließen“, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch unserer Redaktion. „Die Menschen sind zunehmend genervt vom Gezanke um die Heizungen und wollen Klarheit, wie es beim Heizen weitergeht.“ Noch in dieser Woche wolle die die SPD-Fraktion mit den anderen Ampel-Fraktionen „an einen Tisch setzen und an der Verbesserung des Gesetzes arbeiten“, sagte Miersch. Entscheidend seien für die Sozialdemokraten dabei die Frage der Bezahlbarkeit, ein breiter Technologiemix und lebensnahe Fristen. Die Sozialdemokraten hoffen, dass Gesetz in der nächsten Sitzungswoche auf die Tagesordnung zu bekommen – die beginnt am 12. Juni. (mit thk, jdö)