Berlin/Kopenhagen. Robert Habeck (Grüne) sieht den Nachbarn im Norden als Heiz-Vorbild. Warum Dänemark schon nach der Ölkrise vieles besser gemacht hat.

  • In Deutschland wird weiter um eine erfolgreiche Energie- und Wärmewende gekämpft
  • Beim Thema Heizen ist man in Dänemark indes schon viel weiter
  • Was macht unser nördlicher Nachbar besser als wir?

Die Ölkrise 1973 war ein Schock für Europa. Öl war bis dahin billig und galt als reichlich verfügbar. Dass es einmal knapp werden könnte – undenkbar Anfang der 70er. Doch die Organisation der Erdöl exportierenden Länder (OPEC) drehte als Reaktion auf den israelisch-arabischen Krieg, den Yom-Kippur-Krieg, den Erdölhahn zu.

Neun Länder drosselten die Lieferungen an den Westen und der Benzinpreis schoss auf astronomische 70 Pfennig pro Liter (etwa 36 Cent). Die Reaktion in Deutschland: Fahrverbote und autofreie Sonntage, Autobahnen wurden zu Radwegen. Die Reaktion im Nachbarland Dänemark: eine radikale und konsequente Energiewende, von der das Land bis heute profitiert.

Heizung: Dänen „zutiefst verwundert“ über den deutschen Heizungsstreit

Die Däninnen und Dänen reiben sich erstaunt die Augen, wenn sie vom Heizungsstreit im Nachbarland lesen. Der dänische Journalist Mathias Sonne zeigte sich in der TV-Talk-Show Maybritt Illner „zutiefst verwundert“, dass sich Deutschland einen solch heftigen Regierungsstreit leiste, obwohl es erst am Anfang der Wärmewende stehe.

Denn als die OPEC wieder lieferte und die Ölpreise fielen, ging in Deutschland fast alles wieder seinen gewohnten Gang. Warum nicht damals schon Konsequenzen gezogen wurden, die wegführten von fossilen Brennstoffen, ist schwer zu sagen. In Deutschland setzte man „vor allem auf Atomenergie und hat sich dann in fatale Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland begeben. Deutschland hat eine starke und einflussreiche Industrie. Die Lobbyinteressen sind in Deutschland sehr groß“, sagt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) unserer Redaktion.

Erneuerbar heizen: Die Ölkrise war für Dänemark der Wendepunkt

Die Dänen aber machten alles anders, für sie war die Ölkrise der Wendepunkt in der Energiepolitik. Und der dänische „Heiz-Hammer“ ist eine Erfolgsgeschichte. „Dänemark ist Deutschland weit voraus“, sagt Kemfert, die auch Professorin für Energiewirtschaft an der Leuphana Universität ist. Deutschland könne in fast allen Punkten vom Nachbarland lernen.

Davon ist auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) überzeugt. Auf dem Fernwärmegipfel schwärmte er vor wenigen Tagen vom Vorbild aus dem Norden. Das Land habe vor über 40 Jahren begonnen, ein Wärmesystem aufzubauen, so Energieexpertin Kemfert. Keine Regierung der letzten Jahrzehnte hat die Wärmewende, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen seitdem in Frage gestellt oder auf Eis gelegt. Es gab Kontinuität und Planungssicherheit für private Investoren, Haus- und Wohnungsbesitzer und auch die Kommunen, die beim Umbau eine zentrale Rolle spielten.

Heizen in Dänemark: Fernwärme-Anteil von 60 Prozent

„Jede Region ist verpflichtet, ein Wärmesystem vorzulegen“, sagt Kemfert. Diese langfristigen Wärmepläne wurden vom Staat mit hohen Steuern auf fossile Brennstoffe finanziert. Dänemark zahlte also keine Subventionen für den Umstieg auf neue Heizsysteme oder Wärmepumpen, sondern versuchte, fossile Energie über Steuern teuer und damit marktuntauglich zu machen. Die Steuer auf Öl und Gas lag zeitweise bei knapp drei Cent pro Kilowattstunde.

Auch deshalb hat Dänemark heute „den europaweit höchsten Anteil von Kraftwärmekopplungs-Anlagen“, so Kemfert. Der Anteil von Fernwärme liegt bei 60 Prozent (in Deutschland 14 Prozent), über 50 Prozent stamme davon in Dänemark inzwischen aus erneuerbaren Energien, so die Wissenschaftlerin.

Wärmewende: Dänemark setzte auf Regulierung statt auf den freien Markt

Nur noch 15 Prozent der dänischen Haushalte heizen mit Erdgas, weniger als zehn Prozent mit Öl. In Deutschland hingegen stamme noch rund 70 Prozent der Energie aus fossilen Energieträgern, vor allem aus Gas und Kohle. Und auch nur 20 Prozent der in Deutschland genutzten Fernwärme komme aus erneuerbaren Energiequellen, klagt Habeck.

Den Einbau von Gas- und Ölheizungen in Neubauten hat Dänemark schon 2013 verboten. „Seit 2016 dürfen alte Heizkessel nicht mehr gegen neue fossil befeuerte Heizkessel getauscht werden“, so Kemfert.

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© picture alliance / Jochen Tack | Jochen Tack

Dänemark setzte seit der Ölkrise zudem konsequent auf Regulierung, Deutschland auf die marktwirtschaftliche Freiheit der Energieversorger und der privaten Eigentümer. In Dänemark arbeiten heute viele Fernwärmeversorger nicht gewinnorientiert: Sie reinvestieren ihre Gewinne. Vielerorts sind sie genossenschaftlich organisiert – mit Bürgerbeteiligung.

Kemfert: „Wir zahlen einen enorm hohen Preis für die verschleppte Energiewende“

„Wir zahlen einen enorm hohen Preis für die verschleppte Energiewende, für die verschleppte Wärmewende mit explodierenden Preisen für fossile Energien insbesondere Gas. Diese Kosten werden weiter steigen, wenn wir nicht endlich umsteuern und konsequent auf Energiesparen und erneuerbare Energien setzen“, meint Kemfert. Das schaffe zudem enorme Chancen durch eingesparte fossile Kosten. Auch die volkswirtschaftliche Resilienz werde gestärkt, „und es werden Wertschöpfungen und Jobs geschaffen“, glaubt die Energieexpertin.

Und Habeck drückt aufs Tempo: „Wir müssen das, was in Dänemark in den letzten 50 Jahren entstanden ist, in den nächsten 25 Jahren hinbekommen“.