Berlin. Die Union will Scholz’ Rolle im Cum-Ex-Skandal in einem U-Ausschuss klären, doch die SPD sträubt sich: Sie will ihren Kanzler schützen.

Wenn sich die Erinnerungslücken von Bundeskanzler Olaf Scholz doch noch lichten, dann will er dafür gesorgt haben: Mathias Middelberg. Der Vizefraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag wird voraussichtlich Obmann für den Cum-Ex-Untersuchungsausschuss. In diesem Ausschuss soll aufgeklärt werden, welche Rolle Scholz als Erster Bürgermeister der Stadt Hamburg im Steuerskandal um die Warburg-Bank spielte. Das einschränkende Wort „voraussichtlich“ steht vor Middelbergs Ernennung, weil es den Ausschuss noch nicht gibt.

Das hat mehrere Gründe und ist bisher nach Aussagen der Union „einmalig“ in der Geschichte des Bundestags: Denn die SPD hat kein Interesse daran, dass ihr Kanzler mit kritischen Fragen im Bundestag vorgeführt wird. Es wäre das erste Mal, dass sich ein amtierender Kanzler einem solchen Gremium stellen müsste. Und so sträuben sich die Sozialdemokraten mit allen Kräften dagegen, dass dieser Ausschuss eingesetzt wird, obwohl die Einrichtung des Parlamentsgremiums ein vom Grundgesetz garantiertes Minderheitenrecht ist.

Der Kanzler als Zeuge im Bundestag – das will die SPD unbedingt verhindern

184 Bundestagsabgeordnete sind dafür erforderlich, die Union hat 197. Es würde also reichen, damit der Cum-Ex-Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufnehmen kann. Ehe es soweit kommt, tagt am Montag der Geschäftsordnungsausschuss des Bundestags. Dort sind Hürden höher: „Die Union braucht die einfache Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss“, erklärt Daniela Ludwig (CSU), die Vorsitzende des Ausschusses. Das wären 19 Stimmen, die Union stellt jedoch nur fünf Mitglieder. Selbst wenn die AfD und die Linken zustimmen, würde es nicht reichen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist bei der Hamburgischen Bürgerschaft im Rathaus als Zeuge im Untersuchungsausschusses „Cum-Ex“ geladen. Ein solches Bild will die SPD im Bundestag vermeiden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist bei der Hamburgischen Bürgerschaft im Rathaus als Zeuge im Untersuchungsausschusses „Cum-Ex“ geladen. Ein solches Bild will die SPD im Bundestag vermeiden. © picture alliance/dpa | Christian Charisius

Der Ausschuss wird also voraussichtlich dem Bundestag vor einer Abstimmung am Donnerstag empfehlen, die Untersuchung der Cum-Ex-Geschäfte nicht weiterzuverfolgen. Die Streithähne von SPD und Union zanken sich über den Fragenkatalog und den genauen Untersuchungsauftrag, den die CDU/CSU-Fraktion für den Ausschuss entworfen hat.

Der Bund musste Hamburg auffordern, die Steuern einzutreiben

19 Fragen enthält er: Unter anderem wollten die Abgeordneten wissen, ob Hamburg unter dem Bürgermeister Scholz das einzige der 16 Bundesländer war, das die Steuererstattungen aus Cum-Ex-Geschäften einfach verjähren lassen wollte – und ob die Stadt erst vom Bund dazu ermahnt werden musste, das Geld doch von der Warburg-Bank zurückzufordern.

Das geht der SPD und damit auch der Ampel-Koalition zu weit. Die SPD wirft der Union vor, damit den Kanzler politisch diskreditieren zu wollen. Die Koalition stuft viele der 19 Fragen als verfassungswidrig ein. Denn der Bundestag darf sich nicht mit Angelegenheiten der Länder befassen.

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In diesem Fall nimmt es die SPD sehr genau. Johannes Fechner, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, ist der Meinung, die Union sei unbelehrbar und wolle ihren Antrag mit der Brechstange durchpeitschen. In einer Anhörung hätten Sachverständige aus der Rechtswissenschaft „massive Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des Antrag“ angemeldet. Die Union habe daraufhin kaum Änderungen an den Fragen vorgenommen.

Die Union sieht sich im Recht

Das sei auch nicht nötig, entgegnet Unionsfraktionsvize Middelberg (CDU): „Wir haben unseren Antrag von Anfang an für verfassungsgemäß gehalten.“ Man habe zwar Änderungen vorgelegt, um gütlich eine Einigung mit der SPD zu erreichen, allerdings: „Am Kernanliegen unserer Prüfung werden wir nichts ändern.“

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Müsse man nach Meinung des CDU-Mannes, der in Göttingen zu „Judenrecht in den besetzten Niederlanden“ promoviert hat, auch nicht, denn der Untersuchungsausschuss soll sich mit einer Steuerforderung auf Basis eines Bundesgesetzes befassen. „Hier geht es um Verwaltungshandeln, das die Hamburger Behörden im Auftrag des Bundes, also gewissermaßen als verlängerter Arm des Bundes leisten sollten“, sagt Middelberg weiter.

Weder SPD noch CDU wollen richtig einlenken, Middelberg droht sogar: „Sollte die Ampel wesentliche Teile des Untersuchungsauftrags ablehnen, werden wir das Bundesverfassungsgericht anrufen.“ CDU und CSU wollen das Verfassungsgericht entscheiden lassen, wie weit der Untersuchungsauftrag gefasst sein darf. Der Jurist ist sich sicher: „Die Bedenken der SPD sind konstruiert.“

Natürlich dürfe Hamburg durch eine Untersuchung im Bundestag nicht in seiner Eigenstaatlichkeit verletzt werden. Wenn eine Landesverwaltung jedoch einzelne Akten zur Verfügung stellt und einige Amtsträger und Landesbeamte als Zeugen befragt werden, sieht der Niedersachse das noch lange nicht als Hoheitsverletzung und bringt einen ähnlich gelagerten Fall: Der Gorleben-Untersuchungsausschuss ab dem Jahr 2010, der ermitteln sollte, wie es zur Entscheidung für Gorleben als Standort für ein atomares Endlager kam.

Middelberg führt den Gorleben-Ausschuss als Vergleichsobjekt an

Im Bundestag wurden damals auch Akten der niedersächsischen Landesregierung begutachtet. Zahlreiche Landesbeamte und Minister der Landesregierung wurden als Zeugen geladen. „Um die Eigenstaatlichkeit Niedersachsens hat damals zu Recht niemand gefürchtet“, sagt Middelberg.

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Obwohl weiterhin nicht klar ist, ob es den Untersuchungsausschuss geben wird, benennen die Fraktionen ihre Vertreter, die gegebenenfalls den Bundeskanzler in die Zange nehmen oder ihn schützen wollen. Für die Union wäre es eben Mathias Middelberg und die SPD wird vermutlich seinen erbittertsten Gegner Fechner schicken. Für die Grünen dürfte die ehemalige Parlamentarische Staatssekretärin Manuela Rottmann ihr juristisches Fachwissen einbringen, die FDP entsendet Max Mordhorst. Die Linke schickt Christian Görke, die AfD beantwortete eine Anfrage unserer Redaktion nicht.

Auch wenn die Sozialdemokraten offiziell nicht an die Einsetzung des Ausschusses glauben, haben sie im Hintergrund ihre Mannschaft aufgestellt. Anpfiff ist frühestens nach der Sommerpause – oder wenn das Bundesverfassungsgericht zu einer Entscheidung gekommen ist.

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