Berlin. In Island brodelt die Erde, der letzte Vulkanausbruch in Deutschland ist 11.000 Jahre her. Wann könnte es hier zum Ausbruch kommen?

Im Vergleich zu anderen Ländern meint es die Natur eigentlich gut mit Deutschland: Wir leiden kaum unter Erdbeben, zurzeit können wir in der Regel noch auf genügend natürliche Wasservorräte zurückgreifen, der letzte Vulkanausbruch liegt über zehntausend Jahre zurück. Dennoch gibt es auch in Deutschland Vulkane, die Geowissenschaftler als aktiv erachten, da sie erneut ausbrechen könnten.

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Doch wie wahrscheinlich ist das? Welche Regionen sind am ehesten betroffen und sollte man sich irgendwie darauf vorbereiten? Das erklärt Dr. Ulrich Küppers, Vulkanologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Vulkanologischen Gesellschaft.

Welche Regionen in Deutschland gelten als Vulkangebiete?

Dr. Ulrich Küppers: Den meisten fällt natürlich die Eifel ein, aber es gibt deutlich mehr. Wir haben in der Mitte Deutschlands einen Bereich, der sich von West nach Ost zieht, wo sich mehrere Vulkangebiete befinden. Dazu zählt auch der Vogelsberg in Hessen, das größte zusammenhängende Vulkangebiet in Mitteleuropa. Es handelt sich hierbei nicht um einen ehemaligen Zentralvulkan – die Region ist zusammengewachsen aus vielen verschiedenen Vulkanen, die einander überlagern. Die meisten dieser Vulkangebiete zählen heute aber als erloschen.

Das macht die Eifel zum Vulkangebiet

Welche Gebiete sind denn noch aktiv?

Küppers: Die Eifel ist für uns Geowissenschaftler ein aktives Vulkangebiet. Dort gibt es Phänomene, die uns zeigen, dass es dort eine unterirdische Magmen-Kammer gibt. Die Magmen-Kammer befindet sich jedoch mehrere Kilometer in der Tiefe und stellt aktuell keine Bedrohung dar. Nach unserem heutigen Verständnis treten zwischen den vulkanisch aktiven Phasen in der Eifel lange Ruhephasen auf, die mehrere Zehntausend Jahre lang sein können.

Wieso sehen Geowissenschaftler die Eifel als aktives Vulkangebiet an?

Küppers: An manchen Orten, zum Beispiel am Ostufer des Laacher Sees, gibt es Stellen, an denen vulkanspezifische Gase austreten. Diese Gase wurden vom Magma freigesetzt. Sie sind kalt und deuten so an, dass deren Quelle in großer Tiefe liegt. Auch in Bayern und im angrenzenden Egergraben in Tschechien gibt es ähnliche Phänomene. Hier sehen wir zusätzlich eine erhöhte seismische Aktivität. Aber es gibt momentan keine Indizien für bevorstehende Ausbrüche in den Vulkangebieten in Deutschland.

Wann war der letzte Vulkanausbruch in Deutschland?

Küppers: Der letzte Ausbruch war in der Westeifel vor etwa 11.000 Jahren und hat das sogenannte Ulmener Maar gebildet. Dieser Ausbruch hatte wohl nur regionale Auswirkungen. Ein viel stärkerer Ausbruch fand zweitausend Jahre zuvor im heutigen Laacher See statt, was für die Region verheerende Folgen hatte. Die Vulkanasche wurde bis nach Polen, Südskandinavien und Norditalien getragen, der Rhein temporär aufgestaut.

Vulkanausbruch könnte ganze Regionen unbewohnbar machen

Welche Auswirkungen hätte ein Ausbruch wie der am Laacher See heute?

Küppers: Wenn er genauso groß wäre wie der letzte, dann wäre das für Mitteleuropa katastrophal. Dann gäbe es sicher Tausende Quadratkilometer, die unmittelbar und auf Jahrzehnte nicht mehr bewohnbar wären. Neben der Zerstörung von Vegetation und Infrastruktur muss man sich vor Augen führen, dass die vulkanischen Ablagerungen die Landschaft lokal durch meterhohe Ablagerungen komplett verändern und dadurch unbewohnbar machen. Vulkanasche in der Atmosphäre ist für Säugetiere und damit auch den Menschen gesundheitsschädigend.

Dr. Ulrich Küppers ist für seine Forschungen regelmäßig in Vulkangebieten unterwegs.
Dr. Ulrich Küppers ist für seine Forschungen regelmäßig in Vulkangebieten unterwegs. © privat | Privat

Kann mal solche vulkanische Aktivität selbst spüren oder sehen?

Küppers: Jeder Vulkanausbruch wird von Erdbeben begleitet und in gewisser Weise auch angekündigt. Erdbeben erlauben uns, die Bewegungen des Magmas zu verfolgen. Die meisten Beben in Deutschland sind allerdings zu schwach, als dass der Mensch sie spüren könnte. Die bereits erwähnten Gasaustritte hingegen sind für den Menschen zum Teil sichtbar. In sogenannten Mofetten tritt CO₂ aus. Dieses Gas ist an der Luft unsichtbar, das geschulte Auge sieht aber den Einfluss auf die Vegetation. Dort, wo das Gas am Ostufer des Laacher Sees austritt, kann man die aufsteigenden Blasen beobachten.

Kann man abschätzen, wann ein Vulkan das nächste Mal ausbricht?

Küppers: Solche Abschätzungen sind nicht ohne Weiteres möglich und auch nicht sehr genau. Wir überwachen aber die jeweiligen Vulkansysteme mit unterschiedlichen Messinstrumenten. Dabei wird etwa die Temperatur oder die Verteilung der Gase sowie die Tiefe der auftretenden Erdbeben erhoben. Das liegt in der Zuständigkeit der jeweiligen Bundesländer. Derzeit deutet jedoch nichts auf einen unmittelbar bevorstehenden Vulkanausbruch hin.

Erneuter Ausbruch in näherer Zukunft ist unwahrscheinlich

Was müsste theoretisch passieren, damit die Vulkane in Deutschland wieder aktiv werden?

Küppers: Schlafende Vulkane, so wie die in der Eifel, erwachen nicht „von jetzt auf gleich“ und brechen dann kurz danach verheerend aus. Die geologischen Bedingungen in Europa sind derart, dass die Wahrscheinlichkeit eines Vulkanausbruchs in der nahen Zukunft klein ist.

Mit wie viel Vorlaufzeit könnte man einen Ausbruch vorhersagen?

Küppers: Sollte ein Vulkansystem „erwachen“, so ist dies ein Prozess von Monaten, Jahren oder mehr. Ein Vulkan hat keinen Countdown mit verlässlicher Uhrzeit, wann er ausbricht. Wir wissen empirisch von großen Vulkanausbrüchen in den letzten Jahrzehnten, dass zwischen Erwachen eines Vulkansystems und einem Ausbruch ein paar Monate lagen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass dieser Vorlauf etwa in der Eifel deutlich größer wäre, da es derzeit keine Anzeichen für Magma in flacher Tiefe gibt.

Gibt es Regionen in Deutschland, die eines besonderen Schutzes bedürfen?

Küppers: Da jeder Vulkanausbruch von Erdbeben begleitet wird, ist erdbebensicheres Bauen in den betroffenen Regionen sinnvoll. Auch Dächer sollten mit einer bestimmten Stabilität konzipiert werden, da Vulkanasche in Kombination mit Regen schnell die Dichte von Zement erreichen kann.

Da es in Deutschland im Winter schneien kann, ist diese Anforderung durch die Auslegung unserer Dächer auf Schneelast erfüllt. Das Wichtigste ist aber, dass es in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die klimatischen und geologischen Gegebenheiten gibt. Flüsse oder Seen können Hochwasser haben, Vulkane können ausbrechen. Dieses Wissen ist leider etwas abhandengekommen.

Der Laacher See in Rheinland-Pfalz ist im Zuge eines Vulkanausbruchs entstanden.
Der Laacher See in Rheinland-Pfalz ist im Zuge eines Vulkanausbruchs entstanden. © imago stock | IMAGO stock

Wie bedroht wären wir von Vulkanausbrüchen in anderen Ländern?

Küppers: Die Auswirkungen auf den Flugverkehr kennen wir, etwa aus dem Jahr 2010, als der Eyjafjallajökull in Island ausbrach. Die Flugzeuge mussten umgeleitet werden, um kein Sicherheitsrisiko einzugehen. Das ist etwas, das uns auch in Zukunft betreffen könnte. Vulkanausbrüche in Italien wie beim Ätna sind für uns nur von geringer Bedeutung, da wir meistens nicht die Windlage haben, dass die Gase und Asche über die Alpen bis nach Deutschland ziehen.